Hessisches Landessozialgericht stärkt Rechte von Sozialhilfeempfängern
Das Gericht entschied, dass Sozialhilfebescheide auch dann mit Wirkung für die Vergangenheit angefochten werden können, wenn die Widerspruchsfrist verstrichen und der Bescheid als unanfechtbar gilt.
Gemäß § 44 SGB X können Verwaltungsakte, auf deren Grundlage Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben wurden, mit Wirkung für die Vergangenheit angefochten werden können, auch wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist. Mit Ausnahme der Verwaltungsakte in Sozialhilfesachen galt diese Regelung für alle Sozialleistungsträger vom Jobcenter über die Kranken- bis hin zur Unfallkasse. Das Bundesverwaltungsgericht ging bisher davon aus, dass § 44 SGB X nicht auf die Sozialhilfe anzuwenden sei, da diese gemäß § 18 SGB XII erst dann einsetze, „sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen“. Daraus ergebe sich nach Ansicht des Gerichtes grundsätzlich nur für die Gegenwart einen Anspruch auf Sozialhilfe, nicht aber für die Vergangenheit (BVerwG 13.11.2003).
Das Landessozialgericht Darmstadt hat in seiner am 09.08.2011 bekannt gegebenen Entscheidung vom 20.05.2011 nun entschieden, dass § 44 SGB X auch für die Sozialhilfe anzuwenden sei (Aktenzeichen L 7 SO 92/10). Hiernach kann auch bei SGB XII-Leistungen ein unanfechtbarer Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt rechtwidrig war und die vom Sozialhilfeempfänger gemachten Angaben weder falsch waren, noch eine Falschangabe billigend in Kauf genommen wurden.
In dem vom LSG Darmstadt behandelten Fall ging es um Leistungen bei Erwerbsminderung für ein 1986 geborenes Kind mit einer Behinderung. Der Vater des Kindes hatte bei der Antragstellung fälschlicher Weise angegeben, dass das Kindergeld an das Kind ginge, obwohl es eigentlich der Familienkasse zufloss. Bei der Leistungsberechnung wurde das Kindergeld sodann als Einkommen des Kindes berücksichtigt und die Leistungen der Erwerbsminderung fielen entsprechend niedriger aus. Der Träger der Sozialhilfe wollte die höheren Leistungen nur für die Zukunft zahlen, nicht aber für die Vergangenheit. Dieser Rechtsauffassung schob das LSG nunmehr einen Riegel vor, da der Vater keine vorsätzlichen Falschangaben machte.
Das Urteil ist zu begrüßen, stärkt es doch die Rechte von Leistungsbeziehenden der Sozialhilfe.
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