Integrationsfachdienste: Sachverständige fordern Rückkehr zur freihändigen Vergabe
Anbei erhalten Sie das Wortprotokoll der Anhörung im Arbeits- und Sozialausschuss zu den beiden Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 4.7.2011.
Die Anhörung zeigte, wie wichtig das leistungsträger- und schnittstellenübergreifende Instrument der Integrationsfachdienste für den Personenkreis behinderter Menschen mit besonderem Vermittlungs- und Unterstützungsbedarf ist. Mit Ausnahme der Bundesagentur für Arbeit standen die Sachverständigen der öffentlichen Vergabe von Leistungen der Integrationsfachdienste grundsätzlich skeptisch gegenüber. So sei es weder im Sinne der Menschen mit Behinderungen, noch im Sinne der Arbeitgeber, wenn auf Grund der öffentlichen Auftragsvergabe und kurzer Zeiträume von nur 33 Monaten wechselnde Ansprechpartner und Anbieter von Vermittlungs- und Unterstützungsdiensten zur Regel werden. Insbesondere der Personenkreis der Menschen mit psychischer Behinderung sei auf kontinuierliche Zusammenarbeit angewiesen, die durch einen Trägerwechsel von der Vermittlung im Verantwortungsbereich der Bundesagentur für Arbeit hin zur beruflichen Betreuung im Verantwortungsbereich der Integrationsämter zusätzlich erschwert wird. Der allgemeine Bezug auf „Menschen mit Behinderungen“ in den Ausschreibungsunterlagen der Bundesagentur für Arbeit, ohne auf die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen einzugehen, wird nach Ansicht einer Mehrheit der Sachverständigen den gesetzlichen und fachlichen Anforderungen der Integrationsfachdienste nicht gerecht.
Zwar widersprach die Bundesagentur für Arbeit Vorhaltungen der beiden angehörten Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD sowie einer Mehrheit der Sachverständigen, wonach durch die Anwendung der neuen Vergabeart die in den vielen Jahren erworbene hohe Fachlichkeit der Integrationsfachdienste unterminiert wird. Zudem widersprach die BA dem Vorwurf, der Preis und nicht die Qualität sei ausschlaggebend bei der öffentlichen Ausschreibung. Dennoch dringen sowohl die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) in ihren schriftlichen Stellungnahmen für eine stärkere Berücksichtigung der Qualität bei der Auswahl der Leistungserbringer. So schlägt etwa die BA vor „bisherige Eingliederungserfolge“ künftig in die fachliche Wertung mit einfließen zu lassen.
Eine Rückkehr zur bisherigen Praxis der freihändigen Vergabe sei aus Sicht der Sachverständigen rechtlich möglich. So verwiesen die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen als auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. z.B. auf die Einschätzung des Europäischen Parlaments (EP), „dass für sozialwirtschaftliche Unternehmen die Wettbewerbsvorschriften nicht in gleicher Weise angewandt werden sollten wie für andere Unternehmen und dass sie einen sicheren Rechtsrahmen benötigen, der auf der Anerkennung ihrer besonderen Werte basiert“ (Entschließung des EP vom 19.2.2009 zu der Sozialwirtschaft, P6_TA(2009)0062, Nr. 3 und 4; Mitteilung der Kommission: Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, KOM(2006) 177 endg. vom 26.4.2006, Kap. 1.1; Mitteilung der Kommission Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss der Sozialdienstleistungen, KOM(2007) 275 endg. vom 20.11.2007, Kap. 2.3)
Wie es weiter geht: Der Arbeits- und Sozialausschuss wird am Mittwoch, den 6.7.2011, die beiden Anträge abstimmen. In der mündlichen Fragestunde am selben Tag wird Markus Kurth zudem die beiden folgenden Fragen an die Bundesregierung stellen:
1.) Wie möchte die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass die Qualität bei Ausschreibungen von Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gemäß § 46 SGB III künftig stärker in der Phase der Zuschlagserteilung Berücksichtigung findet und wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die in ihren schriftlichen Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zu den Integrationsfachdiensten am 04.07.2011 geäußerten Vorschlag der Bundesagentur für Arbeit sowie der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), bei Ausschreibungen künftig die Qualität stärker zu gewichten, indem „Eignungsaspekte mit einem spezifischen Bezug zur Auftragsausführung“ (z.B. bisherige Eingliederungserfolge, spezifische Erfahrungen im entsprechenden Bereich, regionale Vernetzung eines Trägers) künftig in die fachliche Wertung einfließen müssen?
2.) Wie bewertet die Bundesregierung den vom Geschäftsführer des Integrationsfachdienstes gGmbH Köln, Hanspeter Heinrichs, in seiner schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zu den Integrationsfachdiensten am 04.07.2011geäußerten Umstand, wonach durch die Notwendigkeit der öffentlichen Ausschreibung der Vermittlungsunterstützung derzeit im Rheinland keine flächendeckende Regelleistung für arbeitslose, schwerbehinderte Menschen nach § 109 SGB IX existiert und wie welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in ihrer schriftlichen Stellungnahmen zur genannten Ausschussanhörung geäußerten Forderung zu überprüfen, ob im Sinne stabiler Rahmenbedingungen „statt 36-monatiger Vergaben besser noch länger laufende Rahmenverträge eingesetzt werden sollten, wie es derzeit bei den Ausschreibungen der Unterstützten Beschäftigung (insbesondere wegen der langen individuellen Verweildauern) nach § 38 a SGB IX geschieht“?
Die Antworten auf die zwei Fragen können Sie in der pdf-Datei im Anhang nachlesen.
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