Der Bundestag debattierte gestern über die Vergabe von Leistungen der Integrationsfachdienste.
Meinen Redebeitrag zur Debatte können Sie hier nachlesen:
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich einmal vor, die Kriterien für die Vergabe würden auf den Bereich der schulischen Bildung übertragen. Dann würde beispielsweise eine Grund-schule in Bielefeld 1 500 Stunden Mathematik-, 500 Stunden Sachkunde- und 1 000 Stunden Deutschunterricht bei einem regionalen Einkaufszentrum in Düsseldorf beantragen. Von dort aus würde anschließend eine breite Ausschreibung gemacht. Dann käme aus den Niederlanden eine Firma – nennen wir sie Easy Education Incorporated –, die zu Billigsttarifen Lehrkräfte einstellen würde, die vor allen Dingen preiswert wären. Diese würden dann von Düsseldorf aus oder von woher auch immer nach Bielefeld geschickt. Dort würden sie dann drei Jahre lang unterrichten, immer in Angst um die Verlängerung des Vertrages,
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bringen Sie die nicht auf solche Ideen!)
und würden dabei untertariflich bezahlt. Das würden wir unseren Kindern, denen wir die beste Bildung zukommen lassen wollen, niemals zumuten.
(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Weiß man es?)
Aber genau so wird es bei denjenigen gemacht, die komplexe, teils sehr schwierige Unterstützungs-, Bildungs- und Qualifizierungsbedarfe haben. Dieser Vergleich zeigt schon, dass man bei der Vergabe von Dienstleistungen am Menschen nicht nach den gleichen Krite-rien verfahren kann wie bei der Beschaffung von Bleistiften.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Man muss an dieser Stelle auch ganz klar konstatieren, dass im Grundsatz die Fraktionen der Regierungskoalition diesen Gedankengang in ihrem Antrag zumindest grundsätzlich nachvollzogen haben; das will ich gleich vorwegschicken, gerade auch an die Adresse des Kollegen Seifert. Auch wir werden diesem Antrag der die Regierung tragenden Fraktionen zustimmen, unserem eigenen Antrag natürlich auch, weil so in Zukunft die Praxis der Vergabe, wie sie bisher gewesen ist, zumindest ein Stück weit verändert werden kann. Jetzt können nämlich die bieterbezogenen Qualitätskriterien auch zum Zuschlagskriterium gemacht werden. Das ist die entscheidende Änderung gegenüber dem, was in der Vergangenheit war.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich meine, da sollte man auch ruhig als Opposition über den eigenen Schatten springen und sagen: Eine kleine Verbesserung ist besser als gar nichts.
(Katja Mast [SPD]: Genau!)
Wir werden allerdings genau gucken, ob Sie das auch umsetzen, zum Beispiel über die VOL/A, die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – hoffentlich recht rasch –, und natürlich auch im Prozess der europäischen Neuordnung des Vergaberechts.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich muss allerdings noch anmerken, dass die Ausschreibung eines Teils der Leistungen der Integrationsfachdienste nicht zweckmäßig ist. Der Gesetzgeber hat damals – soweit ich weiß, haben auch Sie, FDP und CDU/CSU, dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch zugestimmt – die Integrationsfachdienste als ganzheitliche Dienstleistung konzipiert. Der Gesetzgeber hat in § 110 SGB IX gesagt, der IFD soll die Menschen im Vorfeld beraten und unterstützen, er soll vermitteln, er soll Ansprechpartner für die Arbeitgeber sein und vor allen Dingen auch nach der Vermittlung die Personen begleiten – das ist ganz wichtig auch für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen – und Ansprechpartner für Probleme sein, falls der Arbeitgeber solche nach der Vermittlung hat.
Es macht also Sinn, das in eine Hand zu legen. Es gibt jetzt zwar eine unterschiedliche Kostenverantwortung – die Bundesagentur für Arbeit hat die Kostenverantwortung für die Vermittlung –, aber es ist grundfalsch, daraus nun abzuleiten, dass der Bereich der Vermittlung ausgeschrieben und an einen externen Dienstleister vergeben wird, während jemand anders weiterhin Ansprechpartner bei Beratung und Unterstützung ist. Dies widerspricht dem Geist – ich würde fast sagen: dem Buchstaben – dessen, was im Gesetz steht, und macht auf jeden Fall keinen Sinn.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen zu einer ganzheitlichen vernünftigen Vergabe zurückkehren. Dies ist auch nach jetzigen rechtlichen Maßstäben möglich. Sie wissen, dass die Fraktion der Grünen auch eine Anfrage an den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages gestellt hat, der ausdrücklich festgestellt hat, dass in diesem Bereich eine Vergabe nicht zwingend ist. Insofern hält Sie nichts davon ab, wieder zum ursprünglichen Willen des Gesetzgebers zurückzukehren und eine vernünftige Praxis im Sinne aller Menschen mit Behinderung zu befolgen.
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Das Video finden Sie unter:http://www.youtube.com/watch?v=xC8f559G6zs
Wir verwenden Cookies auf der Website. Welche das sind und zu welchem Zweck, erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.