Der Bundestag debattiert am 14. März über einen Gesetzentwurf, den die Koalitionsfraktionen gemeinsam mit der SPD zur Verbesserung der Situation contergangeschädigter Menschen einbringen.
Seit vielen Jahren machen Contergangeschädigte darauf aufmerksam, dass ihnen ein würdevolles Leben kaum mehr möglich ist. Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich ihre gesundheitliche Situation. Aufgrund dessen können viele von ihnen nicht länger einer Berufstätigkeit nachgehen. Unterstützung im Alltag, die über viele Jahre von den Eltern geleistet wurde, ist in immer geringerem Ausmaß möglich, je älter die Eltern werden. Die Zahlungen, die Contergangeschädigte bislang aus der Conterganstiftung erhalten, reichen bei weitem nicht aus, um den Bedarf an Assistenz, Therapien und Pflege zu sichern. Auch barrierefreier Wohnraum und individuelle Mobilität lassen sich aus den Bezügen gegenwärtig kaum finanzieren.
Eine Studie der Universität Heidelberg hat in den letzten Jahren das große Ausmaß der körperlichen, psychischen und finanziellen Belastungen der Betroffenen sehr differenziert erhoben (Hier finden Sie Ergebnisse der Studie tinyurl.com/ceeyhvz). Nachdem Anfang Februar diesen Jahres eine Öffentliche Anhörung zu den Studienergebnissen stattfand, zielt der Gesetzentwurf nun darauf, Versorgungsdefizite zu decken. Er sieht eine substantielle Erhöhung der sogenannten Conterganrenten vor und soll den Geschädigten die Möglichkeit eröffnen, darüber hinaus Gelder für spezifische Bedarfe (wie Zahnersatz, Hilfsmittel oder Kuraufenthalte) bei der Conterganstiftung zu beantragen.
Die Erhöhung der "Conterganrenten" ist sinnvoll und richtig. Sie ist der erste Schritt zur Verbesserung der Lebenssituation contergangeschädigter Menschen. Die geplante Erhöhung ist durchaus beachtenswert, da sie weit über das hinaus geht, was in der Vergangenheit geleistet wurde. Gleichzeitig werden contergangeschädigte Menschen, besonders wenn sie stark geschädigt sind, weiterhin auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Kosten für Pflege oder Assistenz die Höhe der monatlichen Renten übersteigen. Die Geschädigten haben privatrechtlich keine Möglichkeit, gegen ihre Schädiger vorzugehen, da sich die Firma Grünenthal durch einen für die Geschädigten unvorteilhaften Vergleich aus der Affäre ziehen könnte. Seitdem steht die Bundesrepublik Deutschland in der Haftungsnachfolge der Firma Grünenthal. Obwohl Grünenthal erhebliche Gewinne mit dem Verkauf von Contergan gemacht hat, ist der politische Druck auf das Unternehmen, sich erneut an der Verbesserung der Situation der Geschädigten zu beteiligen, denkbar gering. Nicht nur die Geschädigten selbst sind zu Recht verärgert über diese Situation.
Mit Blick auf die Ergebnisse der Heidelberger Studie ist absehbar, dass auch nach der geplanten Rentenerhöhung nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen werden, um die Geschädigten bedarfsdeckend zu versorgen. Umso wichtiger ist es, dass Entscheidungen der Conterganstiftung nachvollziehbar sind und die neu zur Verfügung stehenden Mittel unter angemessener Beteiligung Contergangeschädigter vergeben werden. Dies wird nur möglich sein, wenn die Stiftung entsprechend ausgestaltet wird.
Mit Schaffung der Stiftung war die Hoffnung verbunden, Rechtsfrieden herzustellen. Dass dies nicht gelungen ist, wurde zuletzt im Rahmen der Öffentlichen Anhörung deutlich. Neben deutlicher Kritik an der Arbeit der Stiftung wurde von den Sachverständigen darauf hingewiesen, dass bei gegenwärtiger Rechtslage ein transparentes Stiftungsgeschehen unmöglich ist. Zum anderen schneidet die Conterganstiftung auch im Vergleich mit ähnlichen Stiftungen schlecht ab: Die Geschädigten sind nicht angemessen repräsentiert und die Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik sind nicht pluralistisch zusammen gesetzt. Eine angemessene Beteiligung der Betroffenen macht nicht zuletzt deshalb Sinn, da Kenntnisse über die Schädigung bei den Geschädigten selbst häufig am größten sind. Die Stiftung politisch pluralistischer zu besetzen würde bestehende Fronten auflösen und bei den Geschädigten das Vertrauen in die Arbeit der Stiftung wieder herstellen.
Der vorliegende Gesetzentwurf stellt nicht sicher, dass die Leistungen zukünftig transparent und unter angemessener Beteiligung der Geschädigten vergeben werden. Wir gehen nicht davon aus, dass der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form geeignet ist, dauerhaft Rechtsfrieden herzustellen. Wir werden uns in den parlamentarischen Verhandlungen dafür einsetzen, den Gesetzentwurf in dieser Hinsicht zu ergänzen.
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