Bundesregierung zementiert Regelsätze unterhalb des sozio-kulturellen Existenzminimums
Am 26. Juni 2013 hat die Bundesregierung ihren „Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendende Methodik“ vorgelegt und darin eine Neubemessung der Regelbedarfe abgelehnt. Damit verweigert Schwarz-gelb Hartz IV-EmpfängerInnen und BezieherInnen der Grundsicherung weiterhin ein sozio-kulturelles Existenzminimum.
Am 26. Juni 2013 legte die Bundesregierung ihren "Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendende Methodik" vor. Zur Erarbeitung des Berichts ist die Bundesregierung durch §10 Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) verpflichtet. Das Gesetz wurde in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 erlassen. In dem Urteil hatte das Gericht die Bemessung der Regelsätze als verfassungswidrig abgelehnt, weil "die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllen". Die Regelsätze seien nicht realitätsgerecht berechnet - nicht "alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf" berücksichtigt worden. Darum ordnete das Gericht an, die "Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren" neu festzulegen.
Gegenstand des Berichtes über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik ist die Frage, ob die bisherige Bemessungsmethode den Anforderungen einer verfassungskonformen Regelsatzermittlung genügt bzw. inwiefern eine Weiterentwicklung der Methodik erforderlich ist. Bislang werden die Regelsätze auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) festgelegt. Dazu werden alle fünf Jahre private Haushalte in Deutschland zu ihren Einnahmen und Ausgaben, zur Vermögensbildung, zur Ausstattung mit Gebrauchsgütern und zu ihrer Wohnsituation befragt. Auf der Basis der Ergebnisse wird das Existenzminimum für 6 Regelsatzstufen berechnet, wobei die untersten 15 Prozent der Einkommen als Referenzgruppe dienen. Diese Methode enthält allerdings Zirkelschlüsse, weil auch so genannte Aufstocker und verdeckt arme Haushalte zur Referenzgruppe zählen. Damit sind aber nicht die untersten Einkommen der Maßstab für das sozio-kulturelle Existenzminimum, sondern Armut. Hinzu kommt, dass die Verkleinerung der Referenzgruppe auf die untersten 15 Prozent anstelle der untersten 20 Prozent der niedrigsten Haushaltseinkommen, senkt die Regelsatzhöhe zusätzlich verringert. Wir Grüne fordern hier seit Langem eine Neuausrichtung.
Darum haben wir gemeinsam mit der SPD und den LINKEN bereits im Vorfeld der Berichtveröffentlichung die Bundesregierung befragt, (meine schriftlichen Fragen nebst Antworten der Bundesregierung stehen unten zum download bereit), ob die Bemessung der Regelsätze das sozio-kulturelle Existenzminimum sichert und ein menschenwürdiges Leben für alle ermöglicht. Die Antworten machten bereits deutlich, dass die Bundesregierung keinen Änderungsbedarf bei der Regelsatzbemessung sieht und den Status quo für angemessen hält. Der Bericht der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der methodischen Regelbedarfsbemessung bestätigt diese Vogel-Strauss-Taktik nochmals. Und das obwohl die wissenschaftlichen Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Ruhr Universität Bochum, die zur Weiterentwicklung der Methodik in Auftrag gegeben wurden, die kritischen Punkte der aktuellen Bemessung ausführlich darlegen.
Die Bundesregierung zieht sich in ihrem Bericht darauf zurück, dass die "Ergebnisse der Forschungsprojekte [...] nicht in Frage [stellen], dass das mit den geltenden Regelbedarfen verfolgte Ziel der Sicherung des Existenzminimums erreicht wird." Weiterer Handlungsbedarf bestehe daher nicht. Schwarz-gelb fehlt der politische Wille, die Situation der LeistungsbezieherInnen nach dem SGB II und SGB XII zu verbessern. Die gesetzliche Pflicht, eine Regelsatzbemessung zu gewährleisten, die das sozio-kulturelle Existenzminimum sichert, löst die Bundesregierung aus unserer Sicht jedenfalls nicht ein.
Im Ergebnis hat das richtungsweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts für Hartz IV-EmpfängerInnen und BezieherInnen von Grundsicherung keine praktischen Verbesserungen gebracht. Darum wollen wir Grüne nach wie vor eine Verbesserung der Berechnungsmethoden, die vor allem das Problem der Zirkelschlüsse behebt. Außerdem wollen wir die Referenzgruppe von 15 Prozent der unteren Einkommen wieder auf 20 Prozent ausweiten. Diese Anpassungen werden absehbar zu einer Anhebung der Regelsätze auf 420 Euro monatlich führen, die wir Grüne seit Langem fordern.
Wir verwenden Cookies auf der Website. Welche das sind und zu welchem Zweck, erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.