27.09.2019 – Rentenpolitik
Die Linken fordern in ihrem Antrag, die Aufwertung sämtlicher Gehälter in den neuen Bundesländern faktisch auf Dauer festzuschreiben. In den Jahren nach der Wiedervereinigung war die Bevorzugung der Ostdeutschen durch eine rentenrechtliche Aufwertung ihrer Löhne durchaus gerechtfertigt. Denn das Lohnniveau betrug 1992 nicht mehr als 42 Prozent des Westniveaus – ein solches Gehaltsgefälle hätte sich ohne Kompensation in entsprechend niedrigen Rentenhöhen niedergeschlagen.
Heute erscheint der Antrag allerdings wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten – was er ja auch tatsächlich ist. Denn der isolierte Vergleich nur zwischen Ost und West führt in die Irre. Niedrige Verdienste, Renten und Strukturprobleme finden sich heute genauso in Regionen Westdeutschlands, die allerdings rentenrechtlich eben keine besondere Beachtung erfahren. Gleichzeitig gibt es Kommunen in den neuen Bundesländern, die heute wirtschaftlich deutlich besser dastehen als Regionen in der alten Bundesrepublik.
Da diese Differenz zwischen den alten und den neuen Bundesländern damals so umfassend war, erschien eine Pauschallösung – eine Aufwertung sämtlicher Gehälter – als der richtige Weg. Nur in sehr wenigen Fällen dürften ostdeutsche Beschäftigte von einer Aufwertung profitiert haben, die sie eigentlich gar nicht gebraucht hätten.
Beispiel 1, das Bruttoinlandsprodukt:
Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist heute in vielen Gegenden Westdeutschlands deutlich geringer als im Osten.
Beispiel 2, Arbeitsentgelte:
Die durchschnittlichen Arbeitsentgelte sind in vielen ostdeutschen Städten und Gemeinden heute höher als in westdeutschen Kommunen: Die Durchschnittslöhne in Potsdam, Jena und Dresden übersteigen zum Beispiel allesamt die Gehälter in Flensburg, in Cloppenburg oder Höxter in Nordrhein-Westfalen.
Beispiel 3, Kaufkraftarmut:
Dort wo die Einkommen höher sind, ist es auch das Preisniveau. Die Gefahr, sozial abgehängt zu werden, ist auch eine Frage der Konsumpreise. Und hier zeigen sich klar Unterschiede zwischen Stadt und Land. In urbanen Zentren ist die Gefahr, seinen Konsum aus eigenen Mitteln kaum zu decken zu können, deutlich höher als auf dem Dorf. Das gilt sowohl im Westen als auch im Osten, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Jahr 2017 zeigen konnte.
Beispiel 4, Zukunftsfähigkeit von Regionen (Studie: IW 2019: Die Zukunft der Regionen in Deutschland. Zwischen Vielfalt und Gleichwertigkeit):
Eine jüngst erschienene Studie zur Zukunftsfähigkeit der Regionen in Deutschland zeigt große kommende Probleme in Teilen Ostdeutschlands, aber genauso auch Westdeutschland. So drohen Gegenden jenseits der großen Metropolen immer mehr abgehängt zu werden. Während im Osten demografische Probleme virulent sind und werden, schneidet im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung der Westen schlecht ab.
Die Schlusslichter liegen dabei in Westdeutschland: Duisburg-Essen, Emscher-Lippe, Bremerhaven.
Beispiel 5, Altersarmut:
Altersarmut ist heute ein stärker west- als ein ostdeutsches Problem und vor allem ist es ein Problem der Großstädte, wie der Sozioökonomische Disparitätenbericht 2019 zeigt (siehe Karte). So liegt der Anteil der Empfänger von Grundsicherung im Alter in den Städten des Ruhrgebiets, in Hamburg, in Saarbrücken und in vielen weiteren Städten bei über vier Prozent – Werte, die in den neuen Bundesländern nur in Berlin und in Schwerin erreicht werden.
Wir müssen die Probleme da anpacken, wo sie sind. Eine Umverteilung nach Himmelsrichtungen hilft nicht weiter. Die strukturellen Probleme der ostdeutschen Wirtschaft sind durch einen dauerhaften Fortbestand der Höherwertung nicht zu beseitigen. Und eine gerechte Rentenpolitik unterstützt diejenigen, die Unterstützung brauchen, ganz losgelöst davon, ob sie links oder rechts der ehemaligen Grenze leben. Wir schlagen stattdessen die Grüne Garantierente vor, die jeder und jedem mit 30 Versicherungsjahren eine Rente von rund 1000 Euro garantiert.