11.12.2024 – Rentenpolitik, Arbeit und Soziales, Grüne Politik
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Johannes Vogel, Sie haben gerade gesagt, wenn man 2 Prozent des Rentenversicherungsbeitrags in einen privaten Fonds einzahlt, dann kämen für den Durchschnittsverdiener wahrscheinlich nach 45 Jahren Sparzeit 1 000 Euro im Monat heraus.
(Johannes Vogel (FDP): Zusätzlich!)
Sie haben aber nicht dazu gesagt - was ja auch Martin Rosemann erfragt hat -, um wie viel dann aktuell die gesetzliche Rente gekürzt werden müsste, nämlich um rund 10 Prozent bei allen derzeitigen Rentnerinnen und Rentnern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Frauke Heiligenstadt (SPD): Viel Spaß dabei! - Dr. Lukas Köhler (FDP): Was? Belegen Sie das doch mal bitte!)
Das machen 2 Prozent vom Beitragssatz nämlich aus.
Wenn ich eins gelernt habe in gut 20 Jahren Sozialpolitik, dann ist es, dass man dort genau hingucken muss, gerade bei den Langfristthemen wie der Alterssicherung. Und das tut Ihr Gesetzentwurf nämlich auch gerade nicht.
Als ich 2002 in den Deutschen Bundestag eingezogen bin, war gerade die Riesterrente eingeführt worden. Und die staatliche Förderung wurde damit begründet, dass die Riesterrente das Absenken des Niveaus der gesetzlichen Rente ersetzen sollte. Genau deshalb ist als Bedingung für die Riesterrente eine Garantie der eingezahlten Beiträge gesetzt worden und vor allem eine Absicherung des Langlebigkeitsrisikos, also eine Rente bis zum Tode.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Lukas Köhler (FDP): Das ist genau das, warum es nicht funktioniert!)
Das macht Ihr Vorschlag genau nicht.
(Dr. Lukas Köhler (FDP): Genau!)
lle Bürgerinnen und Bürger als Steuerzahler die Ausfallbürgen.
Ich kenne die durchaus schlüssige Argumentation, dass ohne Garantien höhere Renditen möglich sind, aber eben möglich und nicht garantiert. Und wer möchte, kann das auch gerne am privaten Kapitalmarkt tun. Nur brauchen wir es dann nicht steuerlich mit dem Geld aller Bürgerinnen und Bürger auch noch zusätzlich zu fördern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist ziemlich wichtig - das merkt man auch wieder in dieser Debatte -, dass man die besonderen Charakteristika von Systemen sozialer Sicherung berücksichtigt und auch keine Haurucklösungen verspricht, sondern deren Pfadabhängigkeit sieht.
(Sebastian Brehm (CDU/CSU): Nichts machen geht auch!)
Ich hoffe, dass das in Zukunft auch Fachkolleginnen und Fachkollegen aller demokratischen Fraktionen tun.
Dies ist meine letzte Rede heute im Deutschen Bundestag.
(Beifall des Abg. Karsten Hilse (AfD) - Dr. Carsten Brodesser (CDU/CSU), an den Abg. Karsten Hilse (AfD) gewandt: Peinlich! - Frauke Heiligenstadt (SPD), an den Abg. Karsten Hilse (AfD) gewandt: Erbärmlich! - Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU): Mann, Mann, Mann! - Gegenruf des Abg. Karsten Hilse (AfD))
Seit sechs Wahlperioden - das sind 22 Jahre - habe ich die Ehre, diesem Haus anzugehören. Ich bedanke mich bei allen, die mich unterstützt haben, mit denen ich zusammenarbeiten konnte, und auch bei allen, mit denen ich fair streiten konnte in der Sache - das muss ich ausdrücklich dazu sagen -: bei Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei den Mitarbeitern des Deutschen Bundestages, des Ministeriums und natürlich auch ganz besonders bei den Mitarbeitern meines Abgeordnetenbüros, von denen viele auch sehr lange Jahre bei mir geblieben sind - und das nehme ich als Kompliment.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der AfD und der Linken)
Ich muss mich auch bedanken - ganz privat tatsächlich, denn auch das Private ist politisch - bei meinem Sohn und bei meiner langjährigen Partnerin, späteren - inzwischen geschiedenen - Ehefrau, der ich aber nach wie vor eng verbunden bin. Das gute Aufwachsen meines Sohnes, der inzwischen erwachsen ist, ist vor allen Dingen ihr Verdienst, und auch er hat einiges mitmachen müssen. Vielen Dank Jonas und Sabine!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der AfD und der Linken)
Meine Damen und Herren, gerade in diesen Tagen dieses für uns auch vielleicht nicht ganz unerwarteten, aber nunmehr doch abrupten Umbruchs fällt mir dann doch auch immer etwas Grundsätzliches ein. Ich möchte schließen mit dem Zitat von Ernst-Wolfgang Böckenförde, dem Böckenförde-Diktum:
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“
Ich finde, das ist ein wichtiger Verweis darauf, dass wir hier auch alles dafür tun müssen, die Institutionen der demokratischen Zivilgesellschaft zu stärken, sie ernst zu nehmen, sie nicht mit irgendwelchen Scheinlösungen hinters Licht zu führen. Ich werde nach meinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag auch alles dafür tun, dass dieser freiheitliche Staat funktionieren und leben kann. Ich freue mich, das nach meiner Mandatszeit zu tun.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der Linken - Die Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD erheben sich)