27.09.2024 – Rentenpolitik, Arbeit und Soziales, Grüne Politik
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser Rede des Schlechtmachens und Verunglimpfens der gesetzlichen Rentenversicherung
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Kai Whittaker (CDU/CSU): Bisschen zart besaitet!)
muss man einige historische Dinge doch noch mal gleich zu Beginn klarstellen.
(Beifall der Abg. Katja Mast (SPD))
Der von Ihnen hier zitierte Experte Bert Rürup hat nämlich schon mal große Prognosen über die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung gemacht, und zwar im Jahr 2003. Das war das zweite Jahr meiner Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag. Damals sind Szenarien beschrieben worden, die dazu hätten führen müssen, dass wir jetzt schon einen Beitragssatz von weit über 20 Prozent haben; das ist nicht eingetreten.
(Hermann Gröhe (CDU/CSU): 16 gute Jahre auf dem Arbeitsmarkt!)
Wir haben seit 2018 einen historisch niedrigen Beitragssatz von 18,6 Prozent, und das wird auch bis 2027 so bleiben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Ulrike Schielke-Ziesing (AfD): Ja, und dann?)
Der Bundeszuschuss zur Rente, den Sie jetzt hier als explodierend dargestellt haben, hat im Jahr 2003 einen viel höheren Anteil am Bundeshaushalt ausgemacht, als es heute der Fall ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Hermann Gröhe (CDU/CSU): Es waren 16 gute Jahre! Stimmt! - Norbert Kleinwächter (AfD): Was sind denn das für Zahlen?)
Wir werden nach den bisherigen Plänen bis 2045 wieder dahin zurückkehren, wo wir im Jahr 2004 waren: bei einem Anteil von etwa 30 Prozent des Bundeshaushalts, den der Bundeszuschuss ausmacht. Und der Anteil der Rentenausgaben am Bruttoinlandsprodukt, an der Wirtschaftsleistung - ich habe das hier schon mehrfach gesagt; merken Sie sich das doch endlich mal! - ist die letzten 20 Jahre sehr stabil geblieben, und er wird es auch in Zukunft sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Auch im europäischen Vergleich ist es so, dass in Deutschland keineswegs überbordend große Anteile unserer Wirtschaftsleistung für die Rente ausgegeben werden; auch hier herrscht seit 20 Jahren Stabilität, obwohl die Zahl der Rentnerinnen und Rentner gestiegen ist. Das heißt also: Wir haben eine sehr gute Ausgangsposition, um den Menschen jetzt endlich ein langfristiges Versprechen von Sicherheit und Stabilität zu geben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hermann Gröhe (CDU/CSU): Warum tun Sie es dann nicht?)
Wenn man sagt, das sei alles nicht solide finanziert und dergleichen, hilft auch hier ein Rückblick auf die letzten 20 Jahre. Was wir lernen können, ist doch, dass es sich nicht lohnt, statisch alles vorzuschreiben.
(Hermann Gröhe (CDU/CSU): Sie wollen das Niveau festschreiben!)
Wir haben in den letzten 20 Jahren - übrigens in unterschiedlichen Konstellationen - Politik gemacht und Dinge verändert. Zum Beispiel wurde ja das gesetzliche Renteneintrittsalter heraufgesetzt, die Erwerbsbeteiligung Älterer hat sich erheblich erhöht. Wir hatten Zuwanderungsgewinne; wir haben einen besonderen Arbeitsmarkt gehabt. Das alles hat mit dazu beigetragen. Das zeigt also: Man kann nicht von einem Jahr ausgehen und sagen: 20 Jahre lang wird sich gar nichts an dieser Stelle verändern.
(Hermann Gröhe (CDU/CSU): Aber es ging drei Jahre bergab!)
Ich möchte noch kurz auf Rentenmodelle in anderen Ländern eingehen. Denn es wird immer behauptet, das seien alles Patentrezepte. Wenn man das schwedische Beispiel nimmt, was ja auch von meinem Kollegen Johannes Vogel immer gerne zitiert wird, dann muss man wissen, dass mit dieser kapitalgedeckten Säule innerhalb des Systems das Rentenniveau damals abgesenkt wurde. Was man auch wissen muss, ist, dass der private Beitrag in Schweden komplett mit der Steuer verrechnet werden kann, also nicht einfach nur absetzbar ist. Das gehört zum Gesamtbild dazu, wenn man sich auf andere Länder bezieht.
Oder das Beispiel Österreich, was Die Linke ja auch immer gerne nimmt: Da muss man sehen, dass sie nicht nur einen höheren Anteil am Bruttoinlandsprodukt für die Rente ausgeben - das ist ja auch okay; Verteilungsentscheidung-, sondern sie haben wegen der vielen Kriegsflüchtlinge, die in den 1990er-Jahren aus Jugoslawien nach Österreich eingewandert sind, auch eine sehr günstige demografische Entwicklung, eine günstigere demografische Struktur. Da könnte auch bei Ihnen und bei manch anderen auch mal der Groschen fallen. Kriegsflüchtlinge, die erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert worden sind, haben - und tun das auch noch - tatsächlich zur Stabilität des österreichischen Rentensystems beigetragen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Andrea Nahles, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, hat vor gut einem Jahr gesagt: Wenn wir die Zuwanderung 2015/16 nicht gehabt hätten, hätten wir ein viel größeres Arbeitskräfteproblem. 80 Prozent der männlichen Zuwanderer von 2015 und 2016 sind in den Arbeitsmarkt integriert. Das ist eine höhere Erwerbsquote, als es bei den Deutschen der Fall ist. All dies gehört zur Wahrheit dazu.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter (AfD))
Auch in den Niederlanden zum Beispiel sehen wir, dass die Tarifbindung bei 90 Prozent liegt und die Arbeitgeber die gesamte betriebliche Zusatzversorgung, die dort die Hälfte der Rente ausmacht, selbst bezahlen. Die Arbeitgeber zahlen die Erwerbsminderungsrente während der ersten zwei Jahre. All diese Dinge gehören zum kompletten Bild, und wer das verschweigt, verzerrt die Wirklichkeit. Er verunsichert die Menschen. Wir tun genau das Gegenteil und schaffen Verlässlichkeit und Perspektive.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hermann Gröhe (CDU/CSU): Warum reden Sie eigentlich nicht zum Gesetz? Kein Wort zum Gesetz! Thema verfehlt, setzen!)