Das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gilt ab heute uneingeschränkt für alle hier lebenden Menschen.
Schallende Ohrfeige für Bundesregierung
Nun ist es höchstrichterlich bestätigt: Das menschenwürdige Existenzminimum gilt nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Abschläge von den Hartz-IV-Regelsätzen für Asylbewerber, Geduldete und Bleibeberechtigte sowie deren Kinder sind nicht zulässig. Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seiner heute veröffentlichten Entscheidung ist eindeutig: Das Asylbewerberleistungsgesetz verletzt die Menschenwürde der Flüchtlinge. Die Höhe der Leistungen ist evident unzureichend und in nicht nachvollziehbarer Weise ermittelt worden. Sachfremde Erwägungen dürfen keine Rolle spielen; die garantierte Menschenwürde darf migrationspolitisch nicht relativiert werden.
Seit es 1993 beschlossen wurde, haben wir Grünen das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) aus grundsätzlichen menschenrechtlichen Erwägungen heraus kritisiert. Denn es führt zu einer diskriminierenden Absenkung von grundlegenden Sozialleistungen für Asylsuchende, dauerhaft bleibeberechtigte Flüchtlinge im Besitz einer humanitären Aufenthaltserlaubnis und geduldete Ausländer. Sie betragen derzeit lediglich 60% der Hartz-IV-Regelsätze und sind - entgegen § 3 Abs. 3 AsylbLG - niemals angepasst worden. Wir Grünen fordern seit langem die Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes und haben dazu im April 2010 einen Gesetzentwurf eingebracht (Drs. 17/1428).
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte bereits im November 2010 öffentlich eingestanden, dass die abgesenkten Leistungssätze des Asylbewerberleistungsgesetzes verfassungswidrig sind. Unternommen hat sie seitdem nichts. Es ist beschämend, dass die Regierung hier erneut versagt hat und die Aufgabe, für eine den Menschenrechten entsprechende Sozialgesetzgebung zu sorgen, dem Bundesverfassungsgericht überlassen hat. Eine weitere Schonfrist hat das Gericht der Bundesregierung nicht mehr zugebilligt: Es entschied, der Gesetzgeber müsse die Leistungen unverzüglich neu festsetzen.
Bis zu einer Neuregelung müssten die rund 130.000 Asylbewerber und Flüchtlinge ab sofort und zum Teil rückwirkend Leistungen erhalten, die sich an den Sozialleistungen für Deutsche orientieren. Wir Grünen fordern die Abschaffung sämtlicher diskriminierender Leistungseinschränkungen, wie beispielsweise der Praxis in einigen Bundesländern, Leistungen nur in Form von Sachleistungen oder Gutscheinen zu gewähren, sowie ein Ende von Ausbildungs- und Arbeitsverboten sowie der Einschränkung von Bewegungsfreiheit (Residenzpflicht).
Zum heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz (Az: 1 BvL 10/10 u. a.) erklären Markus Kurth, Sprecher für Sozialpolitik und Josef Winkler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher für Flüchtlingspolitik:
Wir begrüßen das heutige Urteil - das bestehende Sonderrecht für Asylsuchende muss jetzt aufgehoben werden. Ein Gesetz, das den Zweck verfolgt, Menschen zu diskriminieren, hat keinen Platz in der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik. Wir haben die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes seit Jahren gefordert.
Die Bundesregierung hat auf ganzer Linie verloren. Ein solches Urteil und die sofortige Übergangsregelung zeigen, dass Karlsruhe offenbar das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung abhanden gekommen ist. Die Grundsätze unserer Verfassung und damit auch das Existenzminimum gelten für alle Menschen. Es ist gut und richtig, dass das Bundesverfassungsgericht dies ein für allemal festgestellt hat. Damit hat die jahrelange Diskriminierung ein Ende. Auch ausländische Staatsangehörige haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben in Deutschland.
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