Seit 1993 gibt es ein spezielles Recht für Asylsuchende. Zeit dieses endlich abzuschaffen!
Die damalige Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP ging 1992/1993 bei ihren Vorbereitungen für das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von der Annahme aus, dass - wie die Abgeordnete der CSU, Prof. Monika Männle, ausführte - „die finanziellen Leistungen an Asylbewerber und die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Deutschland dazu führen, daß 60 Prozent der nach Westeuropa kommenden Asylbewerber sich die Bundesrepublik Deutschland als Asylland gewählt haben“.
Mit ihrem „Gesetzentwurf zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber“ verfolgten die Fraktionen der CDU/CSU und FDP dabei - zusammen mit der Fraktion der SPD - drei Ziele:
1. Potentiellen Asylsuchenden sollten durch deutlich reduzierte sozialrechtliche Transferleistungen angebliche „Anreize“ gestrichen werden, um „aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen“ und hier einen Asylantrag zu stellen.
2. Analoges wurde auch für bereits in Deutschland lebende abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber (sowie Geduldete) bezweckt: Auch ihnen sollten angebliche „leistungsrechtliche Anreize für ein weiteres Bleiben in Deutschland“ genommen werden. Sie sollten schnellstmöglich wieder ausreisen.
3. Und schließlich ging es um eine finanzielle Entlastung der durch die Aufwendungen für vermeintliche „Wirtschaftsflüchtlinge“ allein 1992 mit angeblich 17,5 Milliarden Euro völlig überlasteten Länder und Kommunen: Mit der Einführung des AsylbLG wurden für sie Einsparungen in Höhe von jährlich einer Milliarde Euro prognostiziert.
Dieser eingeschränkte Leistungsbezug sollte zunächst nur im ersten Jahr des Aufenthalts der Betroffenen gelten.
Mit Inkrafttreten des AsylbLG im Jahre 1993 erhielten und erhalten Anspruchsberechtigte im Vergleich zu Sozialhilfeleistungen seitdem deutlich geringere Leistungen. Da bis heute diese Leistungen nicht ein einziges Mal an die Preisentwicklung anpasst wurden, liegen sie inzwischen bei nur noch circa 60 Prozent der sonst üblichen Sozialhilfeleistungen. Die Leistungen werden regelmäßig in Form von Gutscheinen oder von Sachleistungen ausgegeben. Diese Waren sind dabei oftmals nur von minderer Qualität. Zudem ist die medizinische Versorgung von Asylsuchenden und Geduldeten nach dem AsylbLG auf die unabweisbar notwendige Behandlung „akuter Schmerzzustände“ beschränkt.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben das AsylbLG seit Anbeginn aus grundsätzlichen menschenrechtlichen Erwägungen heraus kritisiert. Denn das AsylbLG führt zu einem diskriminierenden Ausschluss von Asylsuchenden aus der Sozialhilfe bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Ab dem Jahr 1997 erhielten alle Berechtigten nach dem AsylbLG sogar ganze drei Jahre lang geringere Leistungen.
Im Gegensatz zu sämtlichen Vorgänger- und allen folgenden Regierungen hat die rot-grüne Bundesregierung in den Jahren von 1998 bis 2005 zweimal versucht die seit 1993 unveränderten Leistungssätze an die Preisentwicklung anzupassen. Leider ist dies jeweils an den Ländern im Bundesrat gescheitert. Die sieben Jahre rot-grüner Regierungszeit waren überdies davon geprägt, Verschärfungen des AsylbLG abzuwehren. Aus dem unionsdominierten Bundesrat wurden zahlreiche Verschlechterungen gefordert - bis hin zur völligen Entfristung des Bezugs eingeschränkter Leistungen.
Eine weitere Verlängerung des Bezugszeitraums um ein auf heute vier Jahre erfolgte mit der im August 2007 in Kraft getretenen Änderung des AsylbLG durch die Große Koalition. Eine nachvollziehbare Begründung ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen brachte sowohl im Jahr 2008 als auch im Jahr 2010 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des AsylbLG s in den Deutschen Bundestag ein. In den jeweiligen öffentlichen Anhörungen haben Kirchen-, Wohlfahrts- und Sozialverbände erhebliche Kritik am Fortbestand des AsylbLG geäußert.
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 zum menschenwürdigen Existenzminimum hat erhebliche Auswirkungen auf die Leistungen nach dem AsylbLG. Auch die schwarz-gelbe Bundesregierung kommt bereits wenige Monate nach dem Urteil zu der Auffassung, dass die Festsetzung der Leistungssätze nach dem AsylbLG nicht den Anforderungen des Grundgesetzes genügt. In der Folge leitet die Bundesregierung – nach ihren Angaben – Gespräche mit den Ländern mit dem Ziel ein, bis Ende 2011 gemeinsame Eckpunkte zu erarbeiten, auf deren Grundlage ein Gesetzentwurf erstellt werden soll.
Am 20. Juni 2012 kommt es zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der eingeschränkten Leistungen nach dem AsylbLG. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat auch bis dahin keinen neuen Gesetzentwurf vorgelegt. Der Rechtsvertreter der Bundesregierung negierte in Karlsruhe einen Anspruch auf ein sozio-kulturelles Existenzminimum, da sich Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG nur vorübergehend in Deutschland aufhielten. Die Richterinnen und Richter ließen erkennen, dass sie teils erhebliche Zweifel an der Argumentation der Bundesregierung haben.
Wir verwenden Cookies auf der Website. Welche das sind und zu welchem Zweck, erfahren Sie in unserer Datenschutzerklärung.