Kindergeldabzweigung – verbessert sich die Lage behinderter Menschen und ihrer Familien?
Der Bundesfinanzhof hat geurteilt: Keine Abzweigung, wenn Kinder und Eltern in einem Haushalt leben. Die Bundesregierung kann keine Auskunft geben, wie viele Abzweigungsanträge gestellt werden.
Wenn erwachsene Menschen mit Behinderungen ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen können und daher Grundsicherungsleistungen erhalten, steht ihren Eltern weiterhin Kindergeld zu. Die Sozialhilfeträger sind daher in vielen Bundesländern schon vor Jahren dazu übergangen, bei den Familienkassen sog. Abzweigungsanträge zu stellen: Sie beanspruchen das Kindergeld für sich, auch wenn die behinderten Menschen mit ihren Eltern in einem Haushalt leben und man davon ausgehen kann, dass das fortgezahlte Kindergeld seinen Zweck erfüllt und behinderungsbedingte finanzielle Mehrbedarfe abfedert.
Auf Bundesebene ist die Rechtsauffassung unmissverständlich. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass die Abzweigung des Kindergeldes für volljährige behinderte Menschen regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn diese mit ihren Eltern in einem Haushalt leben. Bereits 2011 hat die Bundesregierung diese Auffassung in einem Brief an die Obersten Landessozialbehörden übermittelt - mit wenig Erfolg in der Praxis. Die Sozialhilfeträger stellten weiterhin zahlreiche Abzweigungsanträge, die zu Prozessen vor der Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit führten. Ein grüner Antrag brachte die Debatte erneut in den Bundestag (mehr dazu hier: http://markus-kurth.de/Reden-Details.60+M50f84c96a5b.0.html ).
Ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. April 2013 stärkt die Position behinderter Menschen und ihrer Familien. Das Gericht hält den Sozialleistungsträger für grundsätzlich nicht abzweigungsberechtigt, wenn volljährige behinderte Kinder bei ihren Eltern leben (Aktenzeichen: V R 48/11). Seit Anfang diesen Jahres hat sich die Situation aber zusätzlich verändert: Die Grundsicherungsträger unterliegen der fachlichen Weisung des Bundes, weil mit der Übernahme der Kosten für die Grundsicherung durch den Bund zum 1. Januar 2013 eine Bundesauftragsverwaltung eingetreten ist. Auf schriftliche Nachfrage kann die Bundesregierung keine Antwort darauf geben, in wie vielen Fällen weiterhin Abzweigungsanträge durch die Sozialhilfeträger gestellt werden. Trotzdem besteht immerhin die Möglichkeit, dass sich die Zahl in Zukunft verringern wird. So schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort weiterhin, das Ministerium für Arbeit und Soziales baue Strukturen für die Rechts- und Fachaufsicht auf und habe im Juni diesen Jahres in einer Bund-Länder-Besprechung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihre Rechtsauffassung auch weiterhin Bestand habe. Es bleibt zu hoffen, dass die zukünftige Regierung ihr Weisungsrecht in dieser Frage wahrnimmt und der unangemessenen Abzweigungspraxis ein Ende setzt.
Die Fragen sowie die Antwort der Bundesregierung können Sie unten herunterladen.
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